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3. Übergreifende Themen

3.1 Die Informationsrechte des Parlaments

Zwischen "Informationsgleichgewicht" und Eingriffen in den "Kernbereich" der Exekutive

Seit jeher werfen die Informationsbeziehungen zwischen Parlament und Regierung (insbesondere zwischen Abgeordnetenhaus und Senat, in ähnlicher Form auch zwischen Bezirksverordnetenversammlungen und Bezirksämtern) datenschutzrechtliche Fragen auf. Dabei sollte einerseits ein "Informationsgleichgewicht" zwischen Parlament und Regierung angestrebt oder besser: der immer bestehende Informationsvorsprung der Regierung nicht durch eine Informationsverweigerung gegenüber dem Parlament vergrößert werden. Die Mitglieder des Senats haben dem Abgeordnetenhaus und seinen Ausschüssen auf deren Wunsch Rede und Antwort zu stehen (Art. 34 Abs. 1 Verfassung von Berlin).

Andererseits weist die Verfassung Exekutive und Legislative unterschiedliche Aufgaben zu: Während die Verwaltung Einzelfallentscheidungen zu treffen hat, soll das Parlament die Verwaltung lediglich kontrollieren (nicht an ihrer Stelle handeln) und Gesetze - generell-abstrakte Regelungen - beschließen. Diese Aufgabenverteilung ist gerade Inhalt des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung und ihre Veränderung würde deshalb auf verfassungsrechtliche Grenzen stoßen.

Wo diese Grenzen im einzelnen liegen, wird seit längerem kontrovers diskutiert. Die Kontroverse ist auch nicht beendet worden durch die Feststellung des Bundesverfassungsgerichtes, daß keine der beiden Gewalten (Parlament oder Regierung) jeweils in den Kernaufgabenbereich der anderen Gewalt eingreifen darf 65. Natürlich darf das Parlament nicht selbst verwalten, also Einzelfallregelungen treffen. Infolgedessen ist der Informationsfluß zwischen Verwaltung und Parlament von vornherein auf das beschränkt, was das Parlament zur Erfüllung seiner Kontroll- und Gesetzgebungsaufgabe benötigt.

Eine weitere Grenze ergibt sich aus dem Gebot der informationellen Gewaltenteilung, den das Bundesverfassungsgericht erstmals im Volkszählungsurteil 66 bezogen auf die Trennung zwischen Statistik und Verwaltungsvollzug formuliert hat. Auch die Weitergabe von Einzelangaben an das Parlament gelten grundsätzlich als unzulässig und nach den Statistikgesetzen des Bundes und Berlins nur in engen Grenzen erlaubt, wenn Daten in Tabellenform etwa zur Beantwortung Kleiner Anfragen nur einen einzigen Fall ausweisen. Selbst dann dürfen diese Angaben nicht zur Regelung von Einzelfällen verwendet werden.

Seitenanfang Die Grenzen der Aufgabengebiete von Legislative und Exekutive sind auch im Schlußbericht der Enquete-Kommission "Verfassungs- und Parlamentsreform" 67 erörtert worden. Die Enquete-Kommission hat mit 2/3-Mehrheit vorgeschlagen, das Recht des Abgeordneten neu in die Verfassung aufzunehmen, sich durch Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung über einen Vorgang zu informieren. Dazu ist ein Beschluß von einem Fünftel der Mitglieder des zuständigen Parlamentsausschusses notwendig. Die Einsichtnahme in Akten darf danach nur abgelehnt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen an der Geheimhaltung dies zwingend erfordern oder schutzwürdige Interessen Einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen (Art. 29 Abs. 3 68). Der Senat hat diesen Vorschlag in seiner Stellungnahme vom 20. Dezember 1994 als verfassungswidrigen Eingriff in den Kernbereich der Exekutivtätigkeit kritisiert, der auch dem verfassungsändernden Gesetzgeber verwehrt sei.

Ob ein wie auch immer formuliertes Akteneinsichtsrecht von Abgeordneten in die Verfassung von Berlin aufgenommen wird, muß zunächst das Abgeordnetenhaus mit der dafür erforderlichen Mehrheit entscheiden. Der Auftrag des Datenschutzgesetzes in diesem Bereich kann nur so verstanden werden, daß der tatsächlich vorhandene und - in bestimmten Grenzen - von der Verfassung auch gewollte Informationsvorsprung der Exekutive vor der Legislative durch die automatisierte Datenverarbeitung nicht vergrößert werden darf. Man könnte diesen Auftrag auch so verstehen, daß der Berliner Datenschutzbeauftragte Empfehlungen dafür geben kann, wie der Informationsvorsprung der Verwaltung gerade durch den Einsatz der automatisierten Datenverarbeitung im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen verkürzt werden kann. Denn die automatisierte Datenverarbeitung bietet sicherlich auch Chancen zur Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten des Parlamentes.

Die bei der Neufassung des Berliner Datenschutzgesetzes 1990 eingefügte neue Regelung 70, daß Gesetzesvorlagen Angaben über die Daten, die für den Vollzug des Gesetzes mit Datenverarbeitungsanlagen erforderlich sind, und über die Form der vorgesehenen Datenverarbeitung enthalten müssen, kann sowohl dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechtes einzelner Bürger als auch dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vor einer Gewaltenverschiebung dienen. Leider wird diese zwingende Regelung bei der Erstellung von Gesetzesvorlagen nach unseren Beobachtungen in den seltensten Fällen beachtet. Man könnte sogar daran denken, diese Vorschrift in der Weise zu ergänzen, daß Vorlagen für solche Gesetze, die mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung vollzogen werden sollen, zusätzlich Angaben darüber enthalten müssen, welche Auswirkungen dies auf die Informationssituation des Parlamentes im Vergleich zur Verwaltung voraussichtlich haben wird oder ob sich sogar Möglichkeiten zur Verkürzung des Informationsvorsprungs der Exekutive gegenüber der Legislative ergeben können.

Aufgrund unserer engen Zusammenarbeit mit dem Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses, aber auch aufgrund von Anfragen aus der Verwaltung haben wir uns wiederholt mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen dem Petitionsausschuß Verwaltungsvorgänge zur Bearbeitung von Eingaben übermittelt werden dürfen. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß der Petent mit seiner Eingabe an den Petitionsausschuß stillschwei gend auch sein Einverständnis mit der Übermittlung der Verwaltungsvorgänge erklärt, über deren Bearbeitung er sich beschwert. Das hilft jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht weiter, weil sehr häufig in den Akten der Verwaltung auch Daten Dritter (neben denen der Behördenmitarbeiter) enthalten sind, über die der Petent nicht verfügen kann. Die Arbeit des Petitionsausschusses wird allerdings erheblich erschwert, wenn man - wie nach geltendem Recht notwendig - darauf besteht, daß alle von der Eingabe betroffenen Personen ihre Einwilligung zur Übermittlung an den Petitionsausschuß erteilen. Ähnliche Fragen ergeben sich, wenn ein Dritter sich im Interesse eines geschäftsunfähigen Bürgers, der nicht wirksam einwilligen kann, an den Petitionsausschuß wendet. Diese Probleme können nur durch eine klare gesetzliche Übermittlungsbe- fugnis gelöst werden, die das Gesetz über die Behandlung von Petitionen an das Abgeordnetenhaus von Berlin (Petitionsgesetz) von 1969 bisher nicht enthält. Wünschenswert wäre auch eine Ergänzung des Petitionsgesetzes mit dem Ziel, die Übermittlung personenbezogener Daten an andere Fachausschüsse auszuschließen, die um eine Stellungnahme zu der Eingabe gebeten werden.

Auch bei der Frage, in welchem Umfang die Verwaltung Untersuchungsausschüssen personenbezogene Auskünfte geben muß oder darf, besteht erhebliche Unsicherheit. Zwar haben nach der Verfassung von Berlin (Art. 33 Abs. 2 Satz 1) Gerichte und Behörden einem Untersuchungsausschuß Rechts- und Amtshilfe zu leisten; sie haben auf Verlangen Akten vorzulegen und ihren Dienstkräften Aussagege- nehmigungen zu erteilen, soweit nicht Gründe der Staatssicherheit entgegenstehen. Das Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin wiederholt diese allgemein gehaltene Formulierung lediglich. Auch in diesem Bereich ist der Gesetzgeber aufgerufen, normenklare Erhebungs- und Übermittlungsbefugnisse in das Untersuchungsausschußgesetz aufzunehmen. Die Enquete -Kommission "Verfassungs- und Parlamentsreform" hat darüber hinaus einstimmig empfohlen, in der Verfassung von Berlin Gerichte und Behörden zur Aktenvorlage und Erteilung von Aussagegenehmigungen gegenüber Untersuchungsausschüssen zu verpflichten, soweit nicht gegenüber dem Ausschuß schlüssig begründet wird, daß dem Bekanntwerden des Inhalts gesetzliche Vorschriften oder Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen Einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen oder wenn die Funk tionsfähigkeit und die Eigenverantwortung des Senats beeinträchtigt werden 71. Bis zu dieser wünschenswerten Klärung können sich Parlament und Regierung nur an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes orientieren 72, die allerdings nur grundsätzliche Aussagen darüber enthält, unter welchen Voraussetzungen die Regierung einem Untersuchungsausschuß die Vorlage von Akten verweigern darf. Zum Verhältnis zwischen dem Beweiserhebungsrecht eines Untersuchungsaussschusses und dem Grundrecht des Bürgers auf Datenschutz hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, daß die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlamentes sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, in aller Regel dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruches zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gestattet, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Eine Ausnahme hiervon hat das Gericht allerdings für solche Informationen vorgesehen, deren Weitergabe wegen des streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist 73. Der Berliner Datenschutzbeauftragte hat in der Vergangenheit wiederholt einzelne Untersuchungsausschüsse bei der Ausgestaltung der erforderlichen Geheimschutzvorkehrungen beraten.

Das Berliner Datenschutzgesetz enthält eine eigene, bisher wenig beachtete Vorschrift 74, die eine Pflicht der Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen zur Auskunftserteilung gegenüber dem Abgeordnetenhaus, dessen verfassungsmäßigen Organen und den Fraktionen des Abgeordnetenhauses vorsieht. Dieselbe Verpflichtung gilt für die Bezirksämter gegenüber den Bezirksverordnetenversammlungen, ihren verfassungsmäßigen Organen und ihren Fraktionen. Voraussetzung für die Auskunftspflicht ist, daß das Parlament oder eines seiner Organe im Rahmen seiner Aufgaben und Zuständigkeiten entsprechende Auskünfte über Daten verlangt. Während in anderen Bundesländern die Auskunftserteilung über personenbezogene Daten teilweise völlig ausgeschlossen ist, dür fen in Berlin personenbezogene Daten dem Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen sowie ihren Organen und den Fraktionen unter bestimmten, im Bundesdatenschutzgesetz genannten engen Voraussetzungen übermittelt werden. Ob ein genereller Ausschluß der Übermittlung von personenbezogenen Daten oder auch nur eine Beschränkung, wie sie im Berliner Datenschutzgesetz vorgesehen ist, mit dem verfassungsrechtlichen Auskunfts- und Kontrollrecht 75 vereinbar ist, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Die erwähnte Vorschrift des Berliner Datenschutzgesetzes ist bisher - allerdings aus einem anderen Grund - kaum angewandt worden: Sie regelt nämlich nicht den praktisch häufigsten Fall der Übermittlung von Daten durch die Verwaltung an das Parlament, die Beantwortung von Kleinen Anfragen einzelner Abgeordneter.

Immer wieder - und im Berichtszeitraum verstärkt - wenden sich Senatsverwaltungen an uns mit der Frage, in welchem Umfang personenbezogene Auskünfte auf Kleine Anfragen einzelner Abgeordneter gegeben werden dürfen. Auch hier herrscht erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Berliner Verfassung enthält keine Verpflichtung zur Beantwortung Kleiner Anfragen. Da das Parlament als Ganzes und in seinen Ausschüssen jedoch ein Auskunfts- und Kontrollrecht nach Art. 34 der Verfassung von Berlin hat, ist der Senat deshalb zumindest politisch gehalten, auch Kleine Anfragen einzelner Abgeordneter zu beantworten. Dabei steht es allerdings nicht in seinem Ermessen, ob und in welchem Umfang er in der Antwort personenbezogene Daten übermitteln darf. Vielmehr bedarf er hierzu einer speziellen gesetzlichen Übermittlungsbefugnis.

Diese Befugnis ergibt sich nicht aus dem Berliner Datenschutzgesetz, das die Auskunftserteilung an einzelne Abgeordnete nicht regelt. Im übrigen beschränken sich die meisten Kleinen Anfragen nicht auf den Katalog personenbezogener Daten, die nach dem Berliner Datenschutzgesetz dem Abgeordnetenhaus, den Bezirksverordnetenversammlungen und ihren jeweiligen Organen rechtmäßig übermittelt werden dürfen.

Dies läßt sich illustrieren am Beispiel der im Berichtszeitraum gestellten Kleinen Anfrage 76, mit der der Senat um Auskunft gebeten wurde, in welchem Umfang und in welcher Rangfolge die berechtigten Personen ihre personengebundenen Dienstwagen zu rein privaten Zwecken nutzen ("Wer benutzt seinen personengebundenen Dienstwagen am meisten zu privaten Zwecken?"). Ergänzend wurde der Senat danach gefragt, ob er erwäge, die Anzahl der personengebundenen Dienstwagen aufgrund der "dramatischen Finanzsituation des Landes Berlin" einzuschränken.

Zu dieser konkreten Anfrage bat uns die Senatsverwaltung für Inneres um eine Stellungnahme, ob die Kleine Anfrage exakt beantwortet werden könne, ohne gegen das Datenschutzgesetz zu verstoßen.

Wir haben darauf hingewiesen, daß wir schon im Februar 1987 gegenüber dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses für die Schaffung einer speziellen gesetzlichen Befugnis zur Übermittlung personenbezogener Daten zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen eingetreten sind 77, ohne daß bisher eine solche Übermittlungsbefugnis geschaffen worden wäre. Allerdings würde es der verfassungsrechtlichen Bedeutung des parlamentarischen Kontrollrechtes nicht gerecht, wenn man bis zur Schaffung einer gesetzlichen Befugnis jede Beantwortung Kleiner Anfragen, die die Verarbeitung personenbezogener Daten voraussetzt, ablehnte. Vielmehr ist bis zur Schaffung einer gesetzlichen Befugnis im Einzelfall unter Abwägung zwischen dem parlamentarischen Kontrollrecht und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu ermitteln, in welchem Umfang personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen.

Ziel der erwähnten Kleinen Anfrage war es in erster Linie, den Senat zu befragen, ob er angesichts der schwierigen Finanzsituation des Landes eine Einschränkung der Anzahl der personengebundenen Dienstwagen erwägt. Vor diesem Hintergrund war es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Fragesteller in anonymisierter Form Auskunft über die mit personengebundenen Dienstwagen privat zurückgelegten Kilometer zu erteilen. Eine entsprechende Aufstellung, die keine Rückschlüsse auf die einzelnen berechtigten Personen zuläßt, hätte von der Senatsverwaltung für Inneres über die Senatskanzlei dem Abgeordnetenhaus zugeleitet werden können, ohne daß dadurch datenschutzrechtliche Belange der Betroffenen berührt worden wären. Die zuvor notwendige Übermittlung personenbezogener Angaben durch die jeweiligen Gehalts- und Lohnstellen, die einen Überblick über die mit den personengebundenen Dienstwagen verbundenen geldwerten Vorteile haben, wäre eine zulässige Verarbeitung von Personaldaten im Rahmen der Zweckbestimmung des jeweiligen Dienstverhältnisses gewesen. Soweit das Land Berlin seinen Amtsträgern personengebundene Dienstfahrzeuge zur Verfügung stellt, sind diese in ihren schutzwürdigen Belangen nicht beeinträchtigt, wenn die Exekutive einem Abgeordneten in anonymisierter Form Auskunft über die private Nutzung dieser Dienstfahrzeuge erteilt. Dagegen wären die schutzwürdigen Belange der Betroffenen gravierend verletzt, wenn der Senat dem anfragenden Abgeordneten die gewünschte Rangliste in personenbezogener Form zur Verfügung gestellt hätte.

Erstaunlicherweise wurde die erwähnte Kleine Anfrage allerdings wesentlich weniger genau beantwortet, als dies - jedenfalls aus Gründen des Datenschutzes - möglich gewesen wäre 78. In allgemeiner Form wurde lediglich das Verfahren der Abrechnung bei privater Nutzung personengebundener Dienstfahrzeuge beschrieben und dem Abgeordneten im übrigen mitgeteilt, daß "weitergehende, d.h. personenbezogene Einzeldaten ... aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mitgeteilt werden" können.

Auch in anderen Fällen haben wir im Berichtszeitraum den Eindruck gewonnen, daß die Verwaltung bei der Beantwortung Kleiner Anfragen zuweilen den Datenschutz als Vorwand benutzt, obwohl dieser einer genaueren Beantwortung nicht im Wege gestanden hätte. So hat der Senat die Frage, wieviele Arbeitsplätze bei welchen Firmen in den letzten drei Jahren in einem Berliner Bezirk abgebaut worden seien 79, mit dem Hinweis beantwortet, daß aussagekräftige, umfassende Erhebungen zur Beantwortung dieser Fragen dem Senat (insbesondere aufgrund datenschutzrechtlicher Vorschriften) nicht zur Verfügung stünden. Daß dem Senat entsprechendes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht, mag eine Vielzahl von Gründen haben (Einschränkung statistischer Erhebungen, mangelhafte Auskunftsbereitschaft der Unternehmen etc.), datenschutzrechtliche Vorschriften gehören jedenfalls aber nicht dazu. Abgesehen davon, daß Unternehmen, die als juristische Personen organisiert sind, sich nicht auf den Datenschutz berufen können, haben das Bundesverfassungsgericht und die anschließende Statistikgesetzgebung Wege aufgezeigt, wie das erforderliche Zahlenmaterial datenschutzgerecht erhoben werden kann. Daß diese Wege nicht gegangen worden sind, kann nicht dem Datenschutz angelastet werden. Eine so begründete Auskunftsverweigerung gegenüber einem Abgeordneten bringt den Datenschutz in Mißkredit.

In der Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage 80 nach den Umständen der Abschiebehaft eines Aussiedlers aus der ehemaligen Sowjetunion, dessen deutsche Staatsangehörigkeit zunächst übersehen wurde, lehnte der Senator für Inneres neben einer allgemeinen Antwort detailliertere Auskünfte "aus datenschutzrechtlichen Gründen und zum Schutz des Betroffenen" ab. Ob dies zu recht geschah, können wir nicht im einzelnen beurteilen. Die Begründung ist aber jedenfalls insofern irreführend, als das Grundrecht auf Datenschutz gerade dem Schutz des Betroffenen dienen soll.

Die beschriebenen Bereiche bedürfen schon deshalb dringend einer bereichsspezifischen Regelung, weil es hier um die Übermittlung personenbezogener Daten aus der Verwaltung an das Parlament geht.

Bisher war ausschließlich von den herkömmlichen, konventionellen Informationsflüssen zwischen Regierung und Parlament die Rede. Mit zunehmender Automatisierung wird aber eine neue Fragestellung in den Vordergrund treten, die noch nicht im Einzelnen untersucht worden ist.

Mit der Novellierung des Berliner Datenschutzgesetzes im Dezember 1990 wurde dem Gesetz eine doppelte Aufgabe zugewiesen: Zum einen soll es das Recht des Einzelnen schützen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten zu bestimmen, soweit keine Einschränkungen in diesem Gesetz oder in anderen Rechtsvorschriften zugelassen sind. Zum anderen soll es die Verarbeitung personen- bezogener Daten durch Behörden und sonstige öffentliche Stellen auch zu dem Zweck regeln, die auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung beruhende verfassungsmäßige Ordnung vor einer Gefährdung infolge der automatisierten Datenverarbeitung zu bewahren ( §1 Abs. 1 Nr. 2 BlnDSG). Bereits nach dem Datenschutzgesetz von 1978 hatte der Berliner Datenschutzbeauftragte die Auswirkungen der automatischen Datenverarbeitung auf die Arbeitsweise und die Entscheidungsbefugnisse der öffentlichen Stellen dahingehend zu beobachten, ob sie zu einer Beschränkung der Kontrollmöglichkeiten durch die Volksvertretung führen. Diese Vorschrift ist auch im novellierten Datenschutzgesetz enthalten. Der Datenschutzbeauftragte kann Maßnahmen zum Schutz gegen derartige Auswirkungen anregen. Diesem Zweck dient gerade auch die neu in das Gesetz aufgenommene Verpflichtung aller öffentlichen Stellen Berlins, den Datenschutzbeauftragten über die Einführung neuer Automationsvorhaben in ihrem Bereich zu informieren ( § 24 Abs. 3 BlnDSG).

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hat bisher seine Hauptaufgabe darin gesehen, das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Berlinerinnen und Berliner vor Beeinträchtigungen zu schützen. Daneben stand die gesetzliche Aufgabe, Gefährdungen für das Informationsgleichgewicht zwischen Parlament und Regierung zu beobachten, eher im Hintergrund. Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß derartige Gefährdungen nicht bestehen. In Zukunft wird sich der Berliner Datenschutzbeauftragte vielmehr verstärkt damit auseinanderzusetzen haben, welcher Art diese Gefährdungen sind und wie ihnen wirksam zu begegnen ist.

Zuletzt geΣndert:
am 08.02.97

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